Hallo zusammen,
da einem die Coronazeit ja viel Freizeit beschert hat, habe ich mich neben so Dingen wie dem Softwareupdate auch wochenlang mit meinem CV1500-Problemfall beschäftigt. Das Gerät stammt aus einer aufgelösten Reparaturwerkstatt und schon beim Öffnen war schnell klar, das wird eine größere Baustelle. Mehrere Platinen hingen lose im Gerät, einige Kabel waren mit Lüsterklemmen zusammengeflickt. Auf der Klangregelplatine war die Massebahn auf ganzer Länge abgebrannt. Offensichtlich hat sich schon jemand an dem Gerät versucht und hat aufgegeben. Vor ein paar Jahren hätte man das Gerät wahrscheinlich noch geschlachtet, aber die werden ja immer seltener und außerdem siegte hier eindeutig der Basteltrieb
Am Ende der Reparatur habe ich großes Verständnis für zwei Fraktionen. Zum einen verstehe ich absolut den Hajo, wenn er keine verbastelten Geräte zur Reparatur annimmt. Es ist einfach sehr mühsam, wenn man nicht weiß, ob das was da vor einem liegt überhaupt noch zum Schaltplan passt. Zum anderen verstehe ich aber auch die Alle-Halbleiter-und-Kondensatoren-Tausch-Fraktion. Ich musste nämlich tatsächlich viele Teile tauschen, und wäre mit einem Komplett-Tausch wahrscheinlich um einiges schneller gewesen. Aber dabei hätte ich dann nichts gelernt, und das gesammelte Wissen möchte ich jetzt natürlich auch mit der Welt teilen. Manches ist sicher an verschiedenen Stellen schon dokumentiert, aber doppelt hält ja bekanntlich besser. Auf die üblichen Schwachstellen des CV 1500 möchte ich hier nicht eingehen, dafür gibt es ja schon die hervorragende Anleitung Dual CV 1500 Überholung von Zivi. Sondern vielmehr zusätzliche Fehlerquellen dokumentieren, die dort noch nicht enthalten sind.
Problem: Spannungswerte auf der Endstufenplatine weichen deutlich von den Sollwerten ab.
Abhilfe: Ein heißer Kandidat ist T1307. Messtechnisch schien er zunächst in Ordnung, scheint aber doch irgendwie hochohmig geworden zu sein. Nach dem Austausch war alles i.O.
Problem: Es fließt kein Ruhestrom. 0,0. Nada.
Abhilfe: Treiber T1309, T1310 oder mindestens einer der Endtransistoren T1311, T1312 ist defekt. In meinem Fall war auf einem Kanal der T1312 durchgepustet. Auf dem anderen Kanal waren die Transistoren aber messtechnisch i.O., trotzdem floss kein Ruhestrom. Ursache war eine kalte Lötstelle am Emitter von T1311, das hat ewig gedauert bis ich darauf gekommen bin. Leider ist die Endstufe im CV1500 ja sehr serviceunfreundlich gestaltet und muss jedesmal ausgebaut werden um an die Lötseite zu kommen. Die Platine hängt dann nur über die Transistor-Drähte am Kühlkörper, was zu einer mechanischen Belastung der Lötstellen führt. Also besser alle nachlöten. Da ich einen Transistor ja eh tauschen musste, habe ich gleich alle vier gegen neue MJ15003 / MJ15004 getauscht. Jetzt glänzen sie außerdem wieder schön neu
Basteltipp 1: Erst die Endstufe vollständig zum Laufen bringen, dann ggf. den 8V-Spannungsregler auf den Kühlkörper auslagern. Tut man das schon vorher (so wie ich es tat), dann stören 3 weitere Leitungen beim Aus/Einbau der Endstufe.
Basteltipp 2: R1337 (100 Ohm) gegen einen 1W-Typ austauschen. Der wird nämlich recht warm und bei meinem CV 1500 sahen beide schon etwas unglücklich aus.
War Blödsinn, siehe Kommentar von Zivi.
Problem: Endstufe voll durchgesteuert.
Abhilfe: Daran war ich selbst schuld, ich hatte die Transistoren des Stromspiegels am Eingang getauscht und bin in die Falle bzgl. T1300 / T1302 getreten. Die Bohrungen auf der Platine passen für die als Ersatz verwendeten BC546, der Aufdruck dagegen passt für die originalen 2N5551. Bei T1301 / T1303 gibt es das Problem nicht, BC556 und der originale BC450 sind pinkompatibel, da passen Bohrung und Aufdruck.
Nachdem ich nun mit der Endstufe glücklich war, ging es weiter:
Problem: Eine Halbwelle fehlt.
Abhilfe: Der Mikrofon-Vorverstärker war voll durchgesteuert und hat damit am Knoten R1721 / R1722 / R1723 eine Halbwelle geklaut. Ursache war ein defekter IC1000, ersetzen und gut.
Problem: Ton sehr leise. Man muss voll aufdrehen um Zimmerlautstärke zu erreichen.
Abhilfe: IC1536 war der Übeltäter und hat das Signal "aufgesaugt". Wenn man die Eingangsplatine dann eh schon ausgebaut hat, einfach alle IC1530 - IC1536 tauschen, die LM833 kosten ja nur ein paar Euro und wenn einer hin ist, kann es durchaus ein, dass die anderen auch nicht mehr lange mitmachen.
Problem: Ton verzerrt.
Abhilfe: Tja, das ist dann wohl der Super-GAU. Hier hilft nur, die gesamte Signalkette zu verfolgen (und die ist beim CV1500 sehr lang) und das defekte Bauteil zu finden. Bei meinem gingen Sinussignale sauber durch, echte Musik klang aber komisch. Also ein mindestens 2-kanaliges Oszilloskop schnappen und sich vom Lautsprecherausgang nach vorne oder vom Eingang nach hinten durchtesten, an welchem Bauteil die Wellenform am Ausgang von der am Eingang abweicht. Bei meinem CV 1500 war es leider ausgerechnet das IC1201 mit dem raren TDA1074. Die Lieferung aus China brauchte 5 Wochen, zu meiner großen Freude war das gelieferte IC tatsächlich kein Fake sondern funktioniert einwandfrei.
Problem: Linear ist dauerhaft aktiviert und lässt sich weder durch Drücken der Linear-Taste noch durch Betätigen der Bass-Höhenregler ausschalten.
Abhilfe: IC1708 (MC14011) war defekt. CD4011 passt auch als Ersatz und kostet nur ein paar Cent.
Problem: Ton kommt nur bei Linear-Betrieb, ohne Linear nichts oder Brummen.
Abhilfe: IC1203 (MC14066) defekt, CD4066 passt auch als Ersatz. Am besten den IC1206 gleich mit austauschen. Das ist der gleiche Typ und wenn einer schon hin ist, hat der andere auf der gleichen Platine möglicherweise die gleiche Belastung (Überspannung?) auch gesehen und ist zumindest vorgeschädigt.
Anmerkung: IC1202 (TDA1074) könnte bei diesem Fehlerbild ebenfalls defekt sein, war es bei mir zum Glück aber nicht.
Problem: Leises Brummen.
Abhilfe: Brummen wird möglicherweise durch eine brummende Versorgungsspannung verursacht. Bei meinem CV1500 brummte es mit eingebauten Angstwiderständen hörbar, ohne Angstwiderstände nur noch leise. Nach Austausch des defekten IC1203 war das Brummen weg. Vermutung: Der defekte IC hat die Versorgung stark belastet.
Also: Solange noch andere Fehler vorliegen, das Brummen erstmal so hinnehmen und sich erst darum Gedanken machen, wenn man sich 100% sicher ist, dass die restliche Schaltung funktioniert. Nicht voreilig irgendwelche Masseverbindungen legen und dabei noch zusätzliche Brummschleifen einbauen! Dual hat sich bei der Masseführung so wie sie ist wahrscheinlich was gedacht.
So, und nun bin ich erstmal sehr glücklich, dass die viele Arbeit auch zum Erfolg geführt hat und ein weiterer CV 1500 gerettet werden konnte. Allerdings frage ich mich, wie an einem einzigen Gerät so viel kaputt gegangen sein kann. Vielleicht ein Blitzeinschlag?
Und die Moral von der Geschichte: Vorsicht vor Geräten aus Werkstattauflösungen, die wurden da höchstwahrscheinlich nicht ohne Grund hingebracht und dann teilrepariert stehen gelassen
Viele Grüße
Patrick
P.S. Da ist er, ist er nicht schön?