Aufwändige Reparatur eines CV 1600

  • Aus welcher Zeit stammt der CV 1600?


    Ich erinnere mich sehr gut an Zeiten, in denen ein Gesamt-Klirrfaktor von 1 % als dermaßen hervorragend betrachtet wurde, dass dieser Wert sogar Eingang in eine Norm, der HiFi-Norm DIN 45500, gefunden hat. In den Jahrzehnten seitdem sind nicht nur erheblich bessere Bauteile entwickelt worden, man hat auch überlegenere Designprinzipien erlernt und es stehen feinere Messmöglichkeiten zur Verfügung.

    Das ist aber zu Zeiten des CV1600 (1977) schon nicht mehr so. Das heißt, bei manchen, von Dual angeboten Kisten, vielleicht schon noch. ;)

    Aber zu der Zeit haben die Verstärker die aus heutiger Sicht laschen Anforderungen der DIN 45500 schon locker übertroffen.

  • DIN 45500 sollte von den Konsumenten "falsch" verstanden werden.

    Das steckte dahinter:


    Die Werte für Vor- und Vollverstärker von max. 1 % Klirrfaktor ("schlimm") und Intermodulationsfaktor von max. 3% ("ganz schlimm") bei Vollaussteuerung wurden nicht deshalb in der DIN 45500 festgelegt, weil sie damals als "hervorragend" gegolten hätten. Man konnte das ja auch schon 1966 viel besser. In der professionellen Studiotechnik waren die Anforderungen höher. Die Festlegung der DIN45500 schreibt den Kompromiss der Einigung namhafter deutscher Hersteller auf einen lediglich "gehobeneren" Wohnzimmer-Standard (im Gegensatz zu professioneller Studiotechnik) fest. Der Unterschied zwischen "gehobenerem Standard" und "hervorragendem Standard" bestand weiterhin.


    Den Herstellern deutscher Unterhaltungselektronik ging es 1966/67 nur darum, einen Mindest-Qualitätsstandard für Heim-Wohnraum-Nutzung (sog. Heimstudio-Verstärker, genannt "HiFi") - den "Brot-und-Butter-Markt" - zu schaffen. Bis dahin durfte sich ja alles beliebig "HiFi" nennen. Es gab dafür keine technischen Kriterien. Von Max Grundig ist aus der Zeit vor dieser Normung die Erklärung überliefert: "Was HiFi ist, bestimme in diesem Hause ich!"

    Die DIN 45500 war deshalb ursprünglich als Marketing-Instrument gedacht, um sich damit von Produkten absetzen zu können, die diese technischen Anforderungen nicht erfüllten aber trotzdem mit "HiFi" schmückten. Mit "HiFi nach DIN 45500" erhoffte man sich also einen gewissen Schutz (und höhere Preise) in der (gehobenen) Mittelklasse sichern zu können. Ein Ausweis für Spitzenklasse war das von Anfang an schon nicht. Nur versuchte man, gerade das mit dieser Norm den Verbrauchern zu suggerieren, die die technischen Kriterien nicht wirklich einordnen konnten.


    Denn, was passiert, wenn sich Vertreter der verschiedenen Hersteller dafür absprechen und letztlich in einem Fachnormenausschuß einigen, wenn sie ihren Arbeitgeber vertreten (müssen), der darauf dringt, dass möglichst viele der eigenen Produkte als "HiFi" gelten dürfen? Es kommt dabei nicht die Spezifikation heraus, die nur die besten/technisch hervorragendsten Geräte erfüllen. Sondern es kommt die Spezifikation dabei heraus, die gewissermassen der kleinsten gemeinsame Nenner über alle am Tisch sitzenden Hersteller und dadurch vertretene Geräteserien der (gehobenen) Mittelklasse zu diesem Zeitpunkt darstellt.


    Die DIN 45500 war übrigens nicht die erste Norm dieser Art. Bereits 1965 gab es in Großbritannien die Norm BS (British Standard) 3860, "METHODS FOR MEASURING AND EXPRESSING THE PERFORMANCE OF AUDIO FREQUENCY AMPLIFIERS FOR DOMESTIC, PUBLIC ADDRESS AND SIMILAR APPLICATIONS".


    Tatsächlich war die DIN 45500 ja trotzdem ein Fortschritt.

    Man darf nicht vergessen, dass 1966/67 auch teure aufwändig konstruierte Röhrenradios und Röhrenverstärker für Heimanwendungen, die damals ein durchschnittliches Monatsgehalt kosten konnten, deren Klang übrigens auch heute noch (nach Hören) sehr gelobt wird, die Anforderungen der DIN 45500 nicht erfüllen konnten. Klirrfaktoren von bis 2-3% und Intermodulationsfaktoren von 5% waren damit ganz üblich. "HiFi" stand da u.U. trotzdem drauf (s. oben: Max Grundig).


    Ein Fachkommentator in der Englischen "HiFi-News" (Juli 1968) schrieb zur DIN 45500 Norm:



    "In this country" = England/GB


    Und... man sehe sich mal die Herstellerspezifikationen von HiFi-Heim-Tonbandgeräten bzgl. Klirrfaktor an, auch teurere Geräte, selbst aus den 70iger Jahren und später. Klirrfaktor bei 333 Hz bis 3%, ja Ihr lest richtig.


    Den rapiden Marktkampf, das Eindringen der japanischen Konkurrenz und den raschen technischen Fortschritt hatte man aber 1966 noch nicht so erwartet. Dadurch verpuffte die DIN 45500 schnell, trotz mehrerer Updates. Die technischen Anforderungen, die dort niedergelegt waren, wurden schon seit den frühen 70iger Jahren leicht von praktisch allen Anbietern in allen oder den meisten Punkten übertroffen. So gesehen, hat die DIN 45500 die ihr zugedachte Wirkung nur ca. 4 Jahre gehabt. Von 1966/67 bis längstens 1971/72.



    CV 1600

    Die Endstufe ist ja nicht "unaufwändig". Schade, dass sie nicht so ausgereift ist, wie ihr das eigentlich zuzurechnen gewesen wäre.

    Schwingen war eine Sache und ist ja inzwischen als "gelöst" anzusehen. Aber jetzt noch diese neue Schwäche, die HaJo aufgedeckt hat? Tritt die wirklich auch auf, wenn ohne die "Angstwiderstände" die Strombegrenzung aufgehoben wird?


    Also keine Empfehlung mehr für den CV 1600?


    Gruß

    Reinhard

    8 Mal editiert, zuletzt von oldiefan ()

  • Danke Reinhard für die Infos.


    Der CV1600 ist eigentlich ein schönes Gerät, aber die Endstufenprobleme im Reparaturfall sind nicht schön.

    Eine andere Baustelle sind die Störgeräusche, die ich in einem anderen Fred schon zum Thema machte. Die aber kaum jemanden außer mir zu stören scheinen.

  • Die Schwingungen des CV1600 lassen sich beseitigen. Ich würde es auch nicht als Konstruktionsfehler bezeichnen, wenn der Verstärker mit Ersatztransistoren zum Schwingen neigt.

    Was aber sehr wohl ein Konstruktionsmangel ist, ist

    - das fehlende RL-Glied am Ausgang

    - das aufgezeigte Verhalten der Endstufe, das deutlich vor der Übersteuerung auftritt und die daraus resultierende Querströme (#33). So etwas darf nicht sein.


    So, nach weiteren Tests zeigt sich, dass die Vergrößerung der Miller-Cs über T1306 und 1312 zwar die Oszillation bei 1,6MHz reduzieren, aber andererseits die Signalverzerrungen

    vergrößern. Vermutlich muß ich am Ende den Miller über T1301 so groß machen, dass die 1,6MHz-Schwingung über ihn kpl. beseitigt wird. Bisher reichen die empfohlenen 15pF nicht aus.


    - Und dann achtet einmal auf die Leistungsbandbreite: Ende bei 20kHz.

    Berühmt ist das alles nicht! Der CV1400, CV1200 können 30kHz. Der CV1700 schafft sogar 60kHz und selbst der CV80 schafft 60kHz.


    Die Endstufe ist unsäglich rückständig.


    Gruß

    Norbert

  • Hallo Norbert,


    der Themenkomplex hat mich jetzt so interessiert, dass ich die CV 1600 Endstufe in LTSpice übertragen habe.


    Endtransistoren-Modelle MJ15003/MJ15004

    Modelle BD440/BD441 für BD419/BD420

    Modelle BD139 ST/BD140 ST für BD139/BD140


    Ergebnisse:

    1. Die Endstufe schwingt auf Anhieb. Auch mit 33 pF zwischen B-C von T1301 war ihr das nicht abzugewöhnen, nur abzuschwächen. Mit zusätzlich nachgerüstetem RL-Glied am Ausgang (und der B-C Kapazität an T1301) war die Schwingung fast verschwunden, aber immer noch leicht erkennbar.

    Die Einflüsse anderer Transistormodelle (Transistortypen) habe ich jetzt nicht untersucht, wurde an anderen Stellen schon gemacht. Die haben einen Einfluss.

    Zum Schwingen hier nichts mehr. Das Thema ist im Prinzip ja "durch". Ich wollte nur erwähnen, dass es bei CV 1600 in der Simulation praktisch unübersehbar ist, selbst ohne Analyse der Schleifenverstärkung nach Nyquist.


    2. Deine Oszilloskop-Beobachtung wird in der Simulation identisch reproduziert:


    Sinus 6,7 kHz bei 42 Vs am Ausgang (ohne Last)



    Hier nochmal zum Vergleich die entsprechende Messung von Norbert:



    Ich nehme nun das Zobel-Glied (Boucherot) heraus; dann...alles gut!

    (gleiche Bedingungen, nur ohne Zobel-Glied):





    Wenn weiter keine 4 oder 8 Ohm Last (ohmisch) am Ausgang hängt, stellt das Zobelglied die alleinige (kapazitive) "Last" dar. Die 100 nF Kapazität im Zobelglied macht dann bei dem hohen Ausgangspegel durch Phasendrehung "Ärger", trotz ihres 10 Ohm Serienwiderstands.


    Mit 4 Ohm Lastwiderstand (und mit Zobelglied), 1 kHz, stromlimitiert mit 1,8 Ohm Angstwiderständen in A+ und B- Zuleitungen:



    und dgl. ohne stromlimitierende Angstwiderstände in den A+ und B- Zuleitungen an 4 Ohm Last:



    Hier dgl. wieder ohne die Angstwiderstände bei 6,7 kHz bei 30Vs an 4 Ohm Last (mit Zobelglied):



    Es sieht nach den Simulationsergebnissen so aus, dass die inherente Strombegrenzung des Endstufennetzteils, die im wesentlichen durch den Trafo und den Gleichrichter, sowie hier noch durch die beiden Sicherungen und die Kontakte der Sicherungshalter bestimmt ist, den Einbruch nahe Vollaussteuerung bei 4 Ohm oder 8 Ohm Last bewirkt, selbst ohne eingefügte Angstwiderstände. Denn bereits Widerstandswerte von/ab 0,5 Ohm in den Zuleitungen bewirken den beobachteten Effekt in der Simulation. Sicherungshalter und Schmelzsicherungen kommen zusammen leicht auf 1-2 Ohm oder sogar mehr, Trafo und Gleichrichter evtl. auch noch auf ca. 0,3 Ohm. Also gesamthaft auf einen Wert, der in der Simulation mit den 1,8 Ohm Angstwiderständen nachgestellt ist.


    Ohne strombegrenzende Widerstände im niedrigen einstelligen Ohmbereich in den Stromversorgungszuleitungen treten die Einbrüche an 4 Ohm oder 8 Ohm Last bis zur Vollaussteuerung (Nennleistung) bei der Simulation nicht mehr ein.


    Die beobachteten Einbrüche bei Amplituden weit oberhalb der Nenn-Ausgangsspannung, wenn keine (oder höherohmige) Last am Ausgang liegt, haben ihren Ursprung offenbar in der "kapazitiven Last" des Zobelglieds. Selbst bei hohem Ausgangspegel von 30 Vs (keine Last am Ausgang) habe ich einen sauberen Sinus in der Simulation, bei 1 kHz, 6,7 kHz oder 10 kHz.


    Also vermutlich zwei verschiedene Ursachen für den ähnlichen Effekt. Und harmloser als zunächst vermutet?

    Nicht umsonst ist man ja von Schmelzsicherungen in der Endstufenversorgung wieder ganz abgekommen. Jedenfalls können die dort auftretenden Übergangs-Widerstände zu merkwürdigen Effekten führen.



    Gruß

    Reinhard

    6 Mal editiert, zuletzt von oldiefan ()

  • Hallo Reinhard,


    da bin ich aber platt! Capeau! (Um LTspice habe ich bei der Untersuchung des Effektes bisher einen Bogen gemacht, weil mir der Aufwand etwas zu groß erschien, zumal ich in der Bedienung kein Profi bin.)
    Durch Versuch habe ich festgestellt, das die Miller-Cs an T1306 und 1312 den Effekt insbesondere bei sehr hohen Frequenzen, wie z.B. 15kHz deutlich verschlimmern.
    Zu den ohnehin vorhandenen 150p hatte ich 270p addiert.


    Dass der Effekt weg ist, wenn das Zobel-Glied weg ist, überrascht mich, weil es im Regelfall stabilisierend wirkt.


    Na dann werde ich mich auch mal an LTspice ranmachen, auch um sehen, was die Miller Cs bewirken oder veränderte Ströme durch T1308 und 1313 oder was passiert, wenn man sie durch Dioden ersetzt.

    Oder was bei Ohmsch-Kapazitiven Lasten unterschiedlicher Art passiert. Die LS-Boxen können wir nicht ignorieren.


    Viel Erfolg mit der Phasenreserve !


    Gruß

    Norbert

  • Hallo Norbert, alle Mitleser,


    da ich nun ja jetzt schon dabei bin und die Endstufensektion des CV 1600 im Simulator habe, mache ich auch gerne noch etwas mehr mit der Simulation, u.a. auch mit den Miller Cs, die Du erwähnt hast. Wenn Du in der Bedienung von LTSpice oder MicroCap noch keine Routine hast, wird es bei solchen Fragestellungen mühsam. Der Aufwand dafür ist dann auch nicht so klein.


    Hier mal zunächst der Startpunkt:

    Ich habe hier in allen Simulationen das RL-Glied ergänzt, da ich in meiner derzeitigen Transistor-Modellwahl die CV 1600 Endstufe sonst nicht stabil bekomme.


    1. Schleifenverstärkung der CV 1600 Endstufe ohne (blau), mit 15 pF (rot) und mit 33 pF (türkis) Miller-C zwischen Basis und Kollektor (B-C) von T1301 als wirksame Massnahme gegen Schwingen.



    Man suche die Frequenz bei der die Schleifenverstärkung die 0 dB-Linie schneidet (= Verstärkung von 1) oder oberhalb liegt und schaut dann danach, wieweit die Phase (gestrichelte Linien, rechte Achse) bei dieser Frequenz noch von 180° entfernt ist. Diese Differenz zu 180° nennt man Phasenreserve. Es ist ja so, dass die Transistorstufe des Differenzverstärkers am Eingang die Phase um 180° dreht. Wenn die Gegenkopplung dann auch nochmal um 180° weiterdreht, sind es zusammen 360°. Das heisst, die Phase von der Schleifenverstärkung ist dann im Gleichtakt mit der Eingangsphase. Es kommt dann zur Resonanz, wie eine Schaukel, die immer im richtigen Moment (=gleichphasig) angestossen wird. Wenn dann auch noch die Schleifenverstärkung bei dieser Frequenz selbst nicht gedämpft ist (= negative dB-Werte), sondern wenigstens eine Verstärkung von 1 hat (= 0 dB) oder mehr (positive dB-Werte), unterhält sich die Schwingung selbst oder schaukelt sich auf. Das kann im letzten Fall sowit gehen, dass sie die geamte verfügbare Leistung des Verstärkers für ihre Eigenschwingung beansprucht.


    Bei der CV 1600 Endstufe sieht man (= blaue Kurve), dass 180° Phasendrehung bei 1-2 MHz erfolgt und die Schleifenverstärkung dabei positiv ist. Es gibt sogar eine erkennbare Überhöhung (Resonanzeffekt) bei ca. 1,5 MHz. Die Simulation sagt also voraus, dass die CV 1600 Endstufe bei dieser Frequenz schwingen kann. Das tut sie auch in der Realität leider zu oft.

    Fügt man zwischen Basis und Kollektor von T1301 eine sog. Miller-Kapazität von 15 pF ein, bringt man damit bei der Frequenz, bei der 180° Phasendrehung erfolgt, die Verstärkung auf 0 dB herunter (rote Kurve). Das reicht noch nicht ganz. Man möchte in den Dämpfungsbereich (= negative dB). Das erreicht man mit 33 pF (türkise Kurve).


    An dieser Stelle kann man sogar auch noch etwas höher mit der Kapazität gehen, falls nötig, z.B. auch 47 pF. Denn der Frequenzgang wird durch die Kapazität an dieser Stelle kaum merklich beeinflusst.



    Man kann bei der Simulation auch eine Transientenanalyse durchführen und sieht dann, was man auch auf dem Bildschirm eines Oszilloskop sehen würde, einen aufgrund der Schwingung stark verbreiterten Strahl, wenn man ein Sinus-Signal einspeist, aufgrund der überlagerten Hochfrequenzschwingung. Die kann den ganzen Strahl umhüllen oder wie eine Raupe auf dem Sinus sitzen oder aufgrund extremer Eigenschwingung den Verstärker komplett "blockieren", d.h. man sieht nur noch die Eigenschwingung (meist im MHz Bereich).


    2. Zum Versuch, den Norbert nannte:

    Wie sieht das Simulationsergebnis aus, wenn man zu den vorhandenen Cs von je 150 pF noch 270 pF an T1306 und 1312 addiert?


    blau: Original = 150 pf für C1307 und C1312

    rot = zu den vorhandenen 150 pF noch 270 pF hinzugefügt


    Mit 420 pF (rot) statt 150 pf (blau) rückt die Frequenz für 180° Phasendrehung bei positiver oder bis 0 dB Schleifenverstärkung etwas weiter nach unten, von 1,5 MHz nun nach 1 MHz. Dabei bleibt die Schleifenverstärkung aber immer noch im positiven Bereich. Das heisst, dass sich an der Schwingneigung nichts wesentlich geändert hat. Nur erfolgt die Schwingung schon bei etwas kleinerer Frequenz. Die Schleifenverstärkung muss wesentlich tiefer abgesenkt werden, um Schwingen zu vermeiden, als dies mit der Zusatzkapazität von 270 pF an T1306 und T1312 erreicht wurde. Die Miller Kapazität an T1301 ist dafür wesentlich wirksamer, wie gerade gezeigt.


    Zobel-Glied:

    Das vorhandene Zobelglied aus 10R in Serie mit 100 nF wirkt sich günstig gegen Schwingneigung aus:


    blau: 33p an T1301, RL-Glied 1,8 µH//10R ergänzt und ohne Zobelglied

    rot: dgl, aber mit Zobelglied



    Bei 180° Phasendrehung senkt das Zobelglied die Schleifenverstärkung weiter ab, d.h. weniger Schwingneigung.



    Der "Einbruch-Effekt", der zuvor ohne Last nur bei sehr hoher Ausgangsamplitude auftrat und ohne Zobelglied verschwand, korreliert nicht mit der Wirkung auf Schwingneigung.


    Diese Art der Analyse setzt voraus, dass der Verstärker seine Verstärkung und den Phasengang nicht ändert. Das ist aber im oberen Drittel des Leistungsbereichs oft nicht mehr gegeben. Dort verbiegen sich abhängig vom Ausgangsstrom Frequenzgang- und Phasengang-Kurve. Und zwar beide nach "unten", d.h. die Phasendrehung wird zu höhen Frequenzen hin stärker, wenn die Ausgangsleistung in den Grenzbereich der Nennleistungsgrenze kommt. Deshalb werden viele Verstärker bei hoher Last bzw. hoher Leistung für Schwingen anfälliger.

    Dieser Effekt ist in der hier gezeigten Schwingungsanalyse anhand von Schleifenverstärkung und deren Phase nicht erfasst.


    Gruß

    Reinhard

    4 Mal editiert, zuletzt von oldiefan ()

  • Hallo zusammen,

    Das meinte ich ja oben....

    Das ganze ist Insgesamt zu langsam.

    Wenn die offene Schleifenverstärkung schon lahmarschig ist, wird's im close loop und mit mehr Miller nicht besser....

    Von den Phasenverzwirbelungen mal ganz zu Schweigen...

    Hier wirken sich schon ein paar Mhz bei den Treibern aus.


    Die langen Zuleitungen zu den Endtransistoren und die dünnen Versorgungsspannungsleitungen,( Nebeneinander liegend)

    tun Ihr Übriges. Von den evtl. Korrodierten Sicherungshaltern ganz zu Schweigen.

    Ohne Pufferung der VC auf der Endstufen Platine .So würde man heute nicht mehr Konstruieren....


    Muss halt alles passen bei diesen Konstruktionen.

    LT Spice kannte man ja noch nicht.


    War bestimmt auch viel try and error bei den Konstruktionen damals dabei...


    Grüße


    Carsten

  • Hallo Reinhard,


    da hast Du Dir aber viel Arbeit gemacht. Wenn Du das Modell nun schon mühevoll aufgebaut hast, check doch mal den Vorschlag von Uwe mit der Baker-clamp.


    Dass der Drahtverhau mit der Endstufenverdrahtung schwingt, wundert mich gar nicht. Das muss alles kurz und niederinduktiv angebunden sein.


    War bestimmt auch viel try and error bei den Konstruktionen damals dabei...

    So lange rumgedocktert, bis es einigermaßen stabil lief.

    Einmal editiert, zuletzt von ART_DECO () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von ART_DECO mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • So lange rumgedocktert, bis es einigermaßen stabil lief.

    So sieht es aus. Die Anbindung der Gegenkopplung an den Differenzverstärker ist so wüst, das spricht Bände.



    Wenn Du das Modell nun schon mühevoll aufgebaut hast, check doch mal den Vorschlag von Uwe mit der Baker-clamp.

    Mach' ich.


    Erstaunlich finde ich, daß die spice Simulation die praktische Messung bestätigt hat. Dafür mein Respekt an Reinhard.

    Dafür nicht.

    Norbert hat ja richtig gemessen und das Simulationsmodell arbeitet erkennbar realistisch. Ich habe es nur "bedient" und die Simulation hat das ausgespuckt, was die Schaltung eben macht. Nichts zum Wundern.


    Und ja, die Einbrüche werden von Querströmen verursacht, das schrieb Norbert schon. In der Simulation mit Spitzenwerten bis ca. 3 A (ohne Last bei 42 Vs, 6,7 kHz).

    Einmal editiert, zuletzt von oldiefan ()

  • So sieht es aus. Die Anbindung der Gegenkopplung an den Differenzverstärker ist so wüst, das spricht Bände.

    Da muss man erst zweimal hingucken, um die Gegenkopplung richtig zu erfassen. ;)


    Erstaunlich finde ich, mit welcher Genauigkeit die Transistormodelle doch scheinbar aufgebaut sind. Die entscheidenden Parameter für dieses spezielle Problem scheinen drin und richtig dimensioniert zu sein.

  • Simulation:

    Schnelle Baker Clamp Diode 1N4148 parallel zu C1303, wie von Uwe vorgeschlagen, hat keine Änderung gebracht.

  • Schade. War auch nur eine Idee X/ .


    Apropos Gegenkopplung: Wenn ich es richtig sehe, wird die Schleifenverstärkung von R1305 und R1306||R1307 bestimmt. Die Serienschaltung C1304/R1304 ist Teil der Kompensation und tut im Audiobereich nichts zur Sache. Was mich stutzig macht, ist die Existenz des Trimmpotis R1306. Damit ist die Verstärkung zwischen 13,7-fach (22,7 dB) und unendlich bzw. der Open-Loop-Verstärkung einstellbar. Bei einem derart großen Bereich wundert es mich nicht, dass die Kompensation nicht allzu viel taugt. Und überhaupt wozu? Zwei eng tolerierte Widerstände R1305 und R1307, bemessen für die zu erreichende Verstärkung, hätten es auch getan. Hierfür wäre die Kompensation dann eindeutig auszulegen gewesen.


    Beste Grüße, Uwe

    Mein Plattenspieler ist nicht defekt. Er dreht sich nur nicht.

  • ..., wird die Schleifenverstärkung von R1305 und R1306||R1307 bestimmt. Die Serienschaltung C1304/R1304 ist Teil der Kompensation und tut im Audiobereich nichts zur Sache.

    Schleifenverstärkung ist richtig. C/R1304 wirken sich nicht im Audiobereich aus, reduzieren aber Bandbreite und damit die Schwingneigung.

    Was mich stutzig macht, ist die Existenz des Trimmpotis R1306. Damit ist die Verstärkung zwischen 13,7-fach (22,7 dB) und unendlich bzw. der Open-Loop-Verstärkung einstellbar. Bei einem derart großen Bereich wundert es mich nicht, dass die Kompensation nicht allzu viel taugt. Und überhaupt wozu? Zwei eng tolerierte Widerstände R1305 und R1307, bemessen für die zu erreichende Verstärkung, hätten es auch getan. Hierfür wäre die Kompensation dann eindeutig auszulegen gewesen.

    Ich glaube, das ist einfach nur unglücklich ausgelegt. Das Poti hätte noch einen Serienwiderstand benötigt. Vielleicht eingespart, es soll die beiden Kanäle auf gleiche Verstärkung trimmen, aber dazu reicht auch ein ganz kleiner Einstellbereich. Mit den niedrig tolerierten Widferständen hatte es Dual noch nicht so, habe ich jedenfalls selten gesehen bei den alten Geräten. Vorverstärker und Balancepoti haben ja auch Unsymmetrien, die damit ausgeglichen werden, und nicht nur die Endstufe.

    Einmal editiert, zuletzt von ART_DECO ()

  • Hallo Reinhard,


    hervorragend Arbeit ! Ich bin begeistert, auch darüber, dass die Spice-Modelle die Realität so genau widerspiegeln. Lob an die Entwickler der Modelle!

    Du hast herausgefunden, dass 33p als Miller-C an T1301 eine gute Wahl ist, auch das wird zutreffend sein. 15p waren bei mir zu wenig, 22p sind grenzwertig. Die Sinuskuppen sind leicht pelzig.


    Ich hatte auch herausgefunden, dass die Miller-Cs an T1306 und -12 in Sachen Schwingungen nur ein wenig bringen, aber den Leerlaufeffekt drastisch verschlechtern.

    Ferner hatte ich herausgefunden, dass die Verkleinerung von R1314 und -20 den Punkt, an dem die Unregelmäßigkeit im Signalverlauf auftritt zu höheren Pegeln verschiebt.

    Und die Verkleinerung von R1314 sich positiv auf die positive Halbwelle auswirkt.


    Das legt den Schluß naher, dass das Problem vielleicht nicht aus einem gesättigten Transistor herrührt, sondern ggf. einem abreißenden Ruhestrom in einer Endstufenhälfte.

    Ich hatte auch schon überlegt, ob die "Diodentransistoren" 1308 und -13 irgendwie satt werden. Ich finde aber keinen Anhaltspunkt dafür.

    Darum bin ich drauf und dran, die Dinger durch 1N4148 zu ersetzen

    oder die Miller Cs von 150 p an T1306 und -12 weiter zu verkleinern (vielleicht 47p), denn nach deinen Simulationen bringen die Cs keinen wirklichen Nutzen.


    Vielleicht kannst du das auch mal simulieren...



    3 A (ohne Last bei 42 Vs,

    das sind für den Transistor, der nicht durchgesteuert ist im Extremfall 3A * 84V = 252W. Gemäß SOA wird es noch nicht tödlich sein, aber wenn der Strom dann mal 5 oder 8A groß wird,

    gibt es Feuer im Verstärker.


    Gruß

    Norbert

  • Hallo Norbert, Mitleser,


    die von mir genannten 3 A waren der Spitzenwert, nicht rms. Aber trotzdem...


    Zu Deinen Vorschlägen:


    1. Mit Deinem Vorhaben, die 150 pF an T1306 und T1312 auf 47 pF zu verkleinern, liegst Du nach Simulationsergebnis goldrichtig! Das verbessert die Situation erheblich. Noch nicht perfekt, aber ein Quantensprung. Die Miller-C an T1301 dabei auch auf 33 pF setzen und ein RL-Glied 10 Ohm // 1,8-2,2 µH vor den Ausgang (oder für Prüfzwecke erst mal dahinter) und Du wirst sehen, wieviel besser es dann ist.


    2. T1308 und T1313 durch 1N4148 zu ersetzen funktioniert natürlich auch in der Simulation. Aber es gibt damit Störpeaks auf der Gegenkopplung, die vorher nicht vorhanden waren. Das scheint mir demnach hier nicht der richtige Weg.



    Du hattest völlig zu Recht kritisiert, dass die Leistungsbandbreite nur mit 20 kHz angegeben ist. Das ist für einen Verstärker von 1977 natürlich enorm rückständig.

    Ist um so auffälliger, da das nicht an der Bandbreite des Frequenzgangs liegt, denn die reicht lt. techn. Daten bis 55 kHz (-3 dB). Demnach ist die Leistungsbandbreite durch den Klirrfaktor limitiert, der schon bei 20 kHz und halber Nenn-Ausgangsleistung den Grenzwert von 1 % für die Leistungsbandbreite erreicht. Das könnte darauf deuten, dass die Gegenkopplung nicht gut ausgelegt ist, zumal die CV 1600 Endstufe dazu ja auch noch notorisch instabil ist.


    Eine Vereinfachung der Gegenkopplung vermeidet hier viele Probleme und liefert endlich in der Simulation (und hoffentlich auch in Realität) stabiles Verhalten. Ich verwende dabei die bis hier als vorteilhaft erkannten anderen Anpassungen weiterhin:

    - 15 pF bis 33 pF Miller-C zwischen B-C von T1301 hinzugefügt

    - C1307 und C1312 auf 47 pF verringert

    - RL-Glied am Endstufenausgang (1,8-2,2 µH // 10 Ohm, 2W)

    zusätzlich noch

    - 220 pF zwischen den beiden Basen der Transistoren des Differenzverstärkers T1300 und T1301

    - C1305 Fußpunkt Elko der Gegenkopplung 100 µF oder 220 µF


    UND

    Gegenkopplung folgendermassen vereinfacht:



    Der Frequenzgang ist damit erheblich verbessert:






    Das Schwingproblem sollte damit auch verschwunden sein. Die schlagartige Phasentufe bei 180° Phase ist in der Schleifenverstärkung nicht mehr vorhanden, die Phasenänderung ist nun viel gutmütiger.

    Hier die Situation mit Miller-C von 33 pF an T1301:




    Die Schleifenverstärkung erreicht bei 300 kHz den 0 dB Wert; die Phase ist bei dieser Frequenz bei 150°. Die Phasenreserve beträgt also 30°. Das ist immer noch knapp - aber in allem doch günstiger als mit der originalen DUAL Schaltung. Zudem wirkt das jetzt vorhandene RL-Glied kapazitiven Einflüssen des Lautsprecherkabels und von Lautsprecherweichen entgegen.


    Sollte es trotzdem noch Anzeichen für Schwingen geben, ist nach Simulation die Miller-C an T1301 auf 15 pF zurückzunehmen, dass vergrössert die Phasenreserve um 10° auf 40°. Nach meiner bisherigen Erfahrung waren 40° Phasenreserve bislang immer ausreichend, damit kein Schwingen mehr feststellbar war:





    Der Klirrfaktor bei 10 kHz ist in der Simulation bei 17,9 Veff an 4 Ohm Last (= 80 W Sinus) THD=0,13%

    So sieht das bei 10 kHz, 80 W an 4 Ohm in der Simulation mit der verbesserten Endstufe aus:




    Gruß

    Reinhard

    5 Mal editiert, zuletzt von oldiefan ()

  • Hi !

    Die wüste Schaltung für die Gegenkopplung am Differenzverstärkereingang hatte ich schon erwähnt. Die sieht sehr nach unüberlegtem Probieren am Steckbrett aus, so lange, bis es irgendwie funktioniert hat und sie macht ihren Job schlecht. Dadurch kommt die Instabilität.

    Das ist dieses wüste Zeugs mit dem 10M Widerstand, der mir beim Überlesen des Schaltplans sauer aufgestoßen ist, nicht ?

    Ich bin ziemlich überzeugt davon, daß das Unheil an der Stelle seinen Ausgang nimmt.

    Nachfolgende Querstrom-Problematiken mal außen vor gelassen.


    :)

    Peter aus dem Lipperland


    Solo mio, vendro unscrupuloso, custombres sansaclu.

  • Hallo Reinhard,


    hervorragend, dann werde ich noch einmal die Platine ausbauen, den Miller größer machen und von unten anlöten und die Millers an den Vortreibern verkleinern,

    die Gegenkopplung angehen und zu guter Letzt einen guten Ort für das RL-Glied suchen.


    Aber:

    Bist du mit der Gegenkopplung richtig unterwegs?
    Der Teiler ist 1k / 21k. Original war er 4k /51k (Wenn das Poti 1306 auf 5k steht). Somit wäre die Verstärkung deines Vorschlags 21, Original war sie 12,7.


    Wenn ich mir vorstelle, dass R1306 bis auf 0R gestellt werden kann.... Na ja, für eine Werkseinstellung mag es funktionieren. Aber wozu dann R1307? Ich hätte bei 2 Widerständen eine Reihenschaltung gemacht. Was solls, wir können die Ings nicht mehr fragen.


    Gruß

    Norbert

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!
Nach der Registrierung können Sie aktiv am Forenleben teilnehmen und erhalten Zugriff auf weitere Bereiche des Forums.