Einem gelähmten 1218 wieder das Laufen beibringen

  • Mein 1218 von 1971, den ich 1995 für 5 Mark gekauft hatte, wollte nicht mehr. Es ging fast nichts mehr, keine Automatik, kein Anlaufen. – Das Schmierfett hatte sich in eine trockene und klebrige Pampe verwandelt – total verharzt. Hatte mehr Ähnlichkeit mit Pattex als mit Schmierfett. J

    Tja, wie schmiert man ihn ab? Mit einem Wattestäbchen habe ich es zuerst versucht, aber die Fluserei macht unheimlich Dreck. Und mit hartem Werkzeug darf man nicht ran. Ich habe jetzt ganz vorsichtig mit einem Streichholz gearbeitet. Damit kann man das verharzte Fett sehr gut entfernen, ohne die Metallteile zu verbiegen oder zu verkratzen. Man muss nur sehr vorsichtig zu Werke gehen. Etwas Feuerzeugbenzin kann auch helfen.

    Nachdem das alte Fett entfernt war, konnte der 1218 neu geschmiert werden. Erst wollte ich Schmierfett nehmen, dann aber habe ich mich für das „Mineralöl für Präzisionsgeräte“ von Pressol entschieden. Eines der besten und teuersten Öle auf dem Markt (Fläschchen ca. 5 Euro). Das Öl habe ich vorsichtig mit einem Zahnstocher auf die Mechanik aufgetragen. Am besten träufelt man etwas Öl auf eine glatte Unterlage und taucht das Werkzeug ein. Auf keinen Fall die Teile mit der Ölkanne selbst ölen. – Und ich habe bewusst sehr wenig Öl aufgetragen.

    Fazit: Alles läuft wieder wie am Schnürchen!

    Wäre eine prima Kaufempfehlung: einfach einen „gelähmten“ Spieler aus dieser Zeit für wenig Geld kaufen und selbst mit einfachen Mitteln wieder flott machen. Oder aber: Wer seinen gelähmten Dual verkaufen möchte, sollte ihn vorher unbedingt auf Vordermann bringen. Das würde sich im Preis sicherlich auswirken.

  • ... zwecks Wertsteigerung ist der Grund, weshalb es heute a) kaum noch Restaurierungsobjekte gibt und b) so viele kaputtgebastelte Dual-Dreher bei Ebay als top angeboten werden. Jeder sieht die Wertentwicklung und fühlt sich anschließend dazu berufen, Opas alten Plattenspieler aufzumöbeln und teuer zu verkaufen. Zum Glück scheint dieser Hype langsam wieder abzuflachen.


    Wenn man wie Du in der Lage ist, die Dreher fachgerecht in Ordnung zu bringen, tut man sich wirklich den größten Gefallen, eine unverbastelte Kellerleiche zu kaufen und selber in Ordnung zu bringen. Es gibt aber auch Leute, die handwerklich nicht so geschickt sind - und diese können einen Plattenspieler leicht und schnell in einen Totalschaden verwandeln.


    Ein gutes und billiges Mittel, um das "Pattex-Fett" zumindest vorübergehend wieder weich zu bekommen, ist Kontakt 61. Der Vorteil von Kontakt 61 ist, dass es ohne Demontage funktioniert - einfach mit dem Sprühröhrchen in das verharzte Lager tröpfeln. Obwohl diese Methode eigentlich Pfusch ist, hat sie zwei große Vorteile:


    1) Selbst Leute mit zwei linken Händen können nichts kaputtmachen.


    2) Man bekommt das Gerät schnell funktionsfähig, und kann sich einen Eindruck vom Zustand verschaffen, bevor man es aufwendig instandsetzt.


    Und weil Provisorien bekanntlich am längsten halten - ich habe eine KA60 im Büro stehen, die ich vor jetzt knapp vier Jahren mit der Kontakt 61-Methode wiedererweckt habe. Neben dem völlig bewegungsunfähigen 1218 saßen noch der Drehko und ein Poti fest. Das Gerät sollte eigentlich danach richtig fertig gemacht werden - aus Zeitgründen wurde nichts daraus. Trotzdem spielt die Anlage zu meiner eigenen Überraschung bis heute einwandfrei, sie fühlt sich an wie neu.


    Nur als Hinweis: Kontakt 61 ist NICHT der fressende Oxydlöser, sondern hat fettende und pflegende Wirkung. Daher richtet man mit Kontakt 61 auch keinen Schaden an. Das gefährliche Kontaktspray nennt sich Kontakt 60.


    Gruß Frank

  • Hallo, Frank,


    danke für das Kompliment, dass ich das kann, fühle mich als Hobbybastler geehrt. Und danke für den Tipp mit Kontakt 61.


    Gruß steviered

  • Hallo,


    ich habe jetzt einen weiteren 1218 flott gemacht. Dieser ist in eine HS51 eingebaut. Das Gerät stammt von 1973, ist also ein wenig neuer als der einzelne 1218er. Zu der HS51 gehören ein CT18 und zwei CL153. Und hier habe ich festgestellt, dass diese Mechanik weitaus sparsamer geschmiert war als der erste 1218er von 1971. Dass schon vor mir jemand "abgeschmiert" hat, kann ich ausschließen - die Anlage stammt aus Erstbesitz/Nachlass älterer Herrschaften. Außer Wasserflecken von zu feuchtem Putzen ist äußerlich nichts zu bemängeln. Nun gut, auch hier habe ich alles ganz vorsichtig mit einem Streichholz bearbeitet und dann sparsam ein wenig Öl aufgetragen. Alles prima! Wobei ich hier mal ein großes Kompliment an die früheren Qualitätsmaßstäbe loslassen muss: Die Verarbeitung ist einfach exzellent!!! Und das verharzende Schmierfett ist ja noch Glück im Unglück. Schließlich gibt es auch Fette/Öle, die z. B. Kunststoffteile angreifen. Nicht auszudenken, wenn das große Zahnrad, das die Automatik steuert, durch falsches Schmierfett zerbröseln würde. Das zu reparieren wäre unmöglich.


    Hier noch eine Frage: In der HS51 befindet sich noch ein großer ERO-Papierkondensator, der an den Trafo angelötet ist. Irgendwas um die O,nochwas uF. Ist der so ein "Knallbonbon"? Muss man den tauschen? Reicht ein moderner Folienkondensator mit gleichen Werten, oder ist da noch was anderes (z. B. Widerstand etc.) erforderlich?


    Schönes Wochenende!

  • Ich frage mich, ob deine Streichholzmethode auf Dauer erfolg bringen wird. Denn ehrlich gesagt kann ich mir kaum vorstellen, dass man da an alle Stellen, vor allem an Stellen, an denen mehrere Teile übereinander gleiten, vernünftig rankommt!
    An und für sich kommt man um komplettes Zerlegen meines Erachtens nach nicht herum - auch wenn es sehr viel Arbeit ist. So hab ich es bei meinem 1218 größtenteils auch gemacht.

    Gruß,
    Jens

  • Ok, das sehe ich ein. Es ist gründlicher und wirkungsvoller, alles zu zerlegen und zu reinigen. Aber ich persönlich trau mich das nicht, weil ich die Mechanik nicht 100%ig begriffen habe und weil ich auch befürchte, mehr kaputtzumachen als zu verbessern. Wenn ich mich besser damit auskennen würde ... Mit dem Streichholz ist es tatsächlich nicht so einfach, und manches liegt in der Tat so übereinander, dass man nicht drankommt...


    Schönes Wochenende!

  • Hallo,


    kurz meinen Senf dazu: Ich nehm Aldi Zahnbürsten, weil ich beim Komplett zerlegen garantiert die Hälfte der Teile Verlege, vergesse, verliere spare ich mir das auch.
    Die Borsten sind halt flexibler als ein Streichholz.


    Grüße und schönes Wochenende
    Kai

    VG

    Kai








  • Hallo!

    Hier noch eine Frage: In der HS51 befindet sich noch ein großer ERO-Papierkondensator, der an den Trafo angelötet ist. Irgendwas um die O,nochwas uF. Ist der so ein "Knallbonbon"? Muss man den tauschen? Reicht ein moderner Folienkondensator mit gleichen Werten, oder ist da noch was anderes (z. B. Widerstand etc.) erforderlich?

    Dieser Kondensator kann, wie die meißten Netzentstörkondensatoren aus der Zeit, durchschlagen und im schlimmsten Fall den Trafo zerstören, wenn die Sicherung nicht schneller ist. Ich persönlich habe die Dinger noch nie ausgetauscht, sondern gleich weggelassen; So viele Nsu Quickly´s fahren ja heute nicht mehr auf der Straße und die alten Föne und Staubsauger ohne Netzentstörung sind alle im Museum (oder bei mir 8o )


    Mfg Florian

  • Als elektronisches Rindvieh senf ich mal a bissi mit. Nach dem Crash meines 728er's hab ich auch angefangen ein bissel die Mechanik zu reinigen, viel gab's ja net zu tun 8) .
    Die Streichholzmethode ist grundlegend nicht falsch, ein Zahnstocher kanns besser ;)
    Als alter Modellbahner kam mir das Fleischmann Öl mit seinem Punktierstab wie gerufen. :thumbup:
    Aldi Zahnbürsten ?( Eher doch Dr. vom Besten :D .... Nein Schmarrn da musste aber sehr vorsichtig sein und letztendlich die Bürste immer wieder putzen. Oder?


    LG Andre

    Analog ist doch das wahre ;)

  • ... eine Flasche Kontakt 61 besorgen, das mitgelieferte Sprühröhrchen aufstecken, und das Kontakt 61 tröpfchenweise in das verharzte Lager träufeln, OHNE irgendwas von dem alten Fett wegzuputzen. Immer wieder versuchen, das festsitzende Lager zu bewegen, ggf. Kontakt 61 nachtropfen. Bei hartnäckigen Verharzungen etwas kräftiger einsprühen und ggf. bis zum nächsten Tag warten. Irgendwann löst sich die Verharzung, und das Lager bewegt sich wie neu.


    Kontakt 61 ist das einzige Kriechöl, mit dem man wirklich nichts kaputtmachen kann, da es für den Einsatz in elektrischen Geräten entwickelt wurde. Wenn es aus Versehen mit Gummiteilen in Berührung kommt, kann man es einfach mit Alkohol abputzen.


    Alles andere, auch der Einsatz von Zahnbürsten und Q-Tips, macht nur mehr Arbeit. Ich habe mit Kontakt 61 schon Drehkos in Tunern wieder gängig bekommen, die so verharzt waren, dass sie sich nicht einmal mehr mit der Zange drehen ließen.


    Gruß Frank

  • Hallo Frank! Werde ich mal testen,habe mir auf deinen Rat hin mal so eine Dose bestellt! Taugt das eigentlich auch zum nachspülen wie Kontakt WL ? Ich meine wenn es denn wirklich mal Kontakt 60 sein musste,für die Härtefälle....Gruß Klaus

    Hört im Moment ganz Oldschool mit 1249,CV1400 und Wega LB3521C Boxen 8)

  • wenn man Geräte restauriert, sollte man eigentlich vier Dosen Kontakt Chemie vorrätig haben:


    Kontakt 60 (kleine Dose) zum Wiedererwecken toter Kontakte
    Kontakt WL (große Dose) zum Entfernen der Kontakt 60-Reste
    Kontakt 61 (kleine Dose) als "Caramba" für Elektrogeräte
    Kältespray zum Testen von elektronischen Bauteilen und zum Lösen von festsitzenden mechanischen Verbindungen / Verkrustungen


    Gruß Frank


  • Hi


    Das kann Ich nur bestätigen.Ich habe letztens mit Kontakt 61 einen total verharzten 1218 wieder gangbar gemacht.Das Zeug ist jeden Cent Wert !! :thumbup:


    Lg
    XXX

  • Hallo!

    Ich habe mit Kontakt 61 schon Drehkos in Tunern wieder gängig bekommen, die so verharzt waren, dass sie sich nicht einmal mehr mit der Zange drehen ließen.


    Gruß Frank

    Hierzu noch ein Tipp: Ich erhitze solche Potis mit dem Fön. Dann einsprühen und solang hin und herdrehen (erkalten lassen), bis es wieder fest wird - und dann von vorne.


    VORSICHT bei Kunststoffteilen (Obwohl die Kunststoffachsen von den Dual KA ´s aus den frühen 70ern sehr zäh sind).


    Mfg Florian achso: nicht das jetzt einer drei Tage lang Potis dreht, irgendwann werden die dann nit mehr fest....

  • ... sollte es nicht schaffen, irgendein Plastikteil zu beschädigen. Wenn Du einen Fön besitzt, der das schafft, würde ich mir ernsthaft überlegen, ob ich mir weiterhin die Haare damit trockne. Zum Weichmachen von Fett ist er allerdings gut.


    Die Fön-Methode kann man auch in Verbindung mit Kontakt 61 einsetzen, weil es natürlich viel schneller geht, wenn man das Kriechöl in aufgeweichtes Fett einmassieren kann. Ich benutze für alles, was mit Wärme zu tun hat, ein Heißluftgebläse von Steinel mit elektronisch einstellbarer Temperatur. Von lauwarm bis Grillanzünder geht alles mit dem Ding.


    Gruß Frank

  • Hallo,


    an anderer Stelle wird empfohlen, die Fettreste mit Benzin/Spiritus zu entfernen und dann neu zu ölen. Weiterhin wird geraten, schwergängige Teile, z.B. auch das Tellerlager, mit WD 40 einzusprühen. Ist das denn nicht so geeignet? Ich habe da eine Lebensvorratsdose rum stehen....


    Ganz grundsätzlich: mit was würdet ihr nach einer Reinigung den Dual schmieren? Mir wurde geraten, Nähmaschinenöl sparsam aufzutragen, hier im Forum ist von Motoröl und WD 40 die Rede..... Ich bin verwirrt. ?(


    Gruß,
    Thomas

  • Zitat

    Wenn Du einen Fön besitzt, der das schafft, würde ich mir ernsthaft überlegen, ob ich mir weiterhin die Haare damit trockne.


    Das ist eine Frage des Gebrauchs.
    Wenn du nahe genug und lange genug auf eine Stelle bläst, wird jeder gute Fön für eine Erwärmung sorgen, die für Haare wie auch für den einen oder anderen Kunststoff nicht gesund ist.

  • Zum Schmieren habe ich mir überlegt, etwas Hochwertiges zu nehmen. Wahrscheinlich wäre es auch mit Nähmaschinenöl gegangen, ich frage mich nur, wie lange. Und dieses "Mineralöl für Präzisionsgeräte" war mir aus anderen Bereichen schon seit Jahren bekannt: Es wird in Sammlerkreisen für Hammond-Orgeln genommen (als Ersatz für das schweineteure amerikanisch-japanische Öl, das es bei Suzuki nur für ein kleines Vermögen gibt), und ich habe dort selbst schon festgestellt, dass dieses Öl auch nach Jahren noch wie am ersten Tag fließt.


    An Schmierfett hatte ich auch gedacht; ich bin nur der Meinung, dass die Mechanik schwach eingeölt vielleicht leichtgängiger ist als eingefettet. Und die Verschleißerscheinungen sollten sich in Grenzen halten. Die Metallteile sind derart robust, dass ich mir einen verschleißbedingten Ausfall der Metallmechanik da nur schwer vorstellen kann. Eher geht das Plastikzahnrad kaputt - oder das Silikontreibrad - oder der Motor...


    Gruß steviered


  • Natürlich geht prinzipiell auch WD40, genau wie jedes andere Kriechöl. Der entscheidende Vorteil von Kontakt 61 ist, dass es für die Elektrotechnik entwickelt ist. Es greift mit hundertprozentiger Sicherheit auch langfristig keine Teile des Plattenspielers an. Ich weiß nicht, wie z.B. der Netzschalter reagiert, wenn er mit WD40 in Kontakt kommt - oder ob Teile wie das Kurvenrad den Kontakt mit WD40 oder Caramba über längere Zeit ohne Zersetzungserscheinungen vertragen.


    Ich habe schon zu viele totgeölte Dual-Plattenspieler gesehen, als dass ich ein Risiko eingehe, nur um fünf Euro für eine Dose Spray zu sparen. Kontakt 61 hat in meiner KA60 den "Langzeittest" bestanden, also bleibe ich dabei und empfehle es weiter.


    Gruß Frank


    Edit: Bei einer "Neuölung" hilft die Servicemappe bei der Entscheidung, welches Fett man für was nimmt. Auch wenn es die Originalfette nicht mehr oder nur noch zu Apothekenpreisen gibt - man kann die Bezeichnungen benutzen, um grundsätzlich zu erkennen, welche Fettart benutzt werden muss. So kann man z.B. das sauteure Renotac Haftöl durch Haftöl für Kettensägen ersetzen - es sollte aber Haftöl sein und kein Nähmaschinenöl.


    Ein weiterer gewichtiger Grund, warum ich die Kontakt 61 Methode so schätze: wenn man neu fettet, und dabei nicht das Originalfett verwendet, muss man wirklich ALLES alte Fett vorher entfernen, um chemische Reaktionen zwischen alt und neu zu vermeiden. Wenn man dies konsequent durchziehen will, sitzt man u.U. Wochen an einem Plattenspieler, ohne am Ende etwas Entscheidendes gewonnen zu haben.

    Einmal editiert, zuletzt von fnerstheimer ()

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