Einem gelähmten 1218 wieder das Laufen beibringen

  • Ein weiterer gewichtiger Grund, warum ich die Kontakt 61 Methode so schätze: wenn man neu fettet, und dabei nicht das Originalfett verwendet, muss man wirklich ALLES alte Fett vorher entfernen, um chemische Reaktionen zwischen alt und neu zu vermeiden.



    Hallo Frank,


    wie kommst Du zu der Annahme, dass alte Fette mit neuen Fetten ungünstig chemisch reagieren?

  • ... im Automobilbereich akzeptiert jeder, dass man Motoröl nicht mit Getriebeöl mischen darf. Jeder akzeptiert, dass es bei alten Motoren u.U. Probleme geben kann, wenn man Synthetik- mit Mineralöl mischt. Niemand würde auf die Idee kommen, an der Lichtmaschine oder am Verteiler Fette einzusetzen, die nicht ausdrücklich für elektrische Komponenten geeignet sind.


    Bei Plattenspielern hingegen werden immer wieder uralte Erkenntnisse in Frage gestellt. Dual hat sicher nicht aus Jux und Dollerei bis zu sechs verschiedene Öle und Fette verwendet, und in jeder Serviceanleitung vor Schmiermittelreaktionen gewarnt, die beim Mischen von Fetten entstehen können. Kontakt Chemie produziert seit Jahrzehnten Hilfsstoffe speziell für Radio- und Fernsehwerkstätten - warum sollte ich denn ein Mittel vom Grabbeltisch nehmen, wenn es einen Hersteller gibt, der es genau für meinen Anwendungsfall getestet hat ?


    Ich habe einen schrottreifen 701 im Keller stehen, der mir immer wieder vor Augen führt, was man mit Schmierfett alles anrichten kann. Ich weiß nicht, welche Wundermittel der Ebay-Verkäufer da benutzt hat, alles glibbert und glitscht, und die ersten Kunststoffteile fallen langsam auseinander.


    Vielleicht gibt es ja hier im Board jemanden, der etwas Theorie zum Thema Schmiermittelreaktionen schreiben kann.


    Gruß Frank

  • Wenn du mir die Inhaltsstoffe sagen kannst, dann kann ich was dazu schreiben.
    Falls es tatsächlich echte Fette sind (was ich mir nicht vorstellen kann), dann können durchaus Reaktionen eintreten. Ich tippe jedoch vielmehr darauf, dass es irgendwelche Schmierstoffe auf Basis von mehr oder weniger langkettigen Alkanen oder Benzolderivaten ist. Dann käme es in erster Linie auf die Additive an.
    Aber ohne zu wissen, was genau drin ist (was sich sicherlich nicht so einfach rausfinden lässt, weil man, glaube ich, die Zusammensetzung nicht genau angeben muss), kann man keine präzise Aussage treffen.

    Gruß,
    Jens

  • Moin Frank,


    dass Motorenöle auf Mineralölbasis nicht mit ATF-Ölen vermischt werden sollten, ist klar, hat aber überhaupt nichts mit Fetten an Plattenspielern zu tun.
    Auch das Mischen von syntetischen Ölen mit Mineralölen ist doch eine völlig andere Baustelle. Die Einsatzgebiete und vor allem die Anforderungen sind nicht vergleichbar.


    Wenn an einem 40 Jahre alten Dual noch irgendwas an originalen Schmierstoffen vorhanden ist, handelt es sich i.d.R. um die übrigegebliebenen langkettigen Kohlenwasserstoffverbindungen der verwendeten Schmierfette.
    Mit denen wird ein neues Schmierfett, so es kein völlig exotisches Kunstprodukt ist, sicher nicht nachteilig reagieren.


    Dass einige Schmierstoffe Kunststoffe angreifen ist bekannt, hat aber auch nichts mit der Frage zu tun, ob man die Reste der Schmierstoffe an Plattenspielern komplett entfernen muss um nachteilige chemische Reaktionen zu vermeiden.

  • Als Laie würde ich bei falschen Fetten/Ölen hauptsächlich das Problem sehen, dass Kunststoffteile angegriffen werden und zerbröseln. Das habe ich mal schmerzlich an der Klappe eines ITT-Cassettenrecorders feststellen müssen, die durch den falschen Schmierstoff abgebrochen ist. Ersatz war nicht mehr zu bekommen. Die Halterung war so zerbröselt, dass ein Entfetten und Kleben nicht mehr möglich war.


    Ich sehe ein, dass man - wenn man es fachmännisch machen will - eine Handvoll Spezial-Schmierstoffe für so einen Plattenspieler braucht. Aber als Laie denke ich, dass die mechanischen Belastungen auf die Metallteile nicht unbedingt mit denen in einem Verbrennungsmotor oder in einem Fahrzeuggetriebe vergleichbar sind. Das heißt: Auch wenn ich mit dem Pressol Mineralöl sicherlich den falschen Schmierstoff genommen habe, werden meine zwei 1218er jetzt auch bei häufigem Betrieb keinen Totalschaden erleiden. Es gibt natürlich Spezialfälle (z. B. den Silikonlift), wo man wirklich viel kaputtmachen könnte. Aber aus Bastlersicht kann ich momentan sagen: Beide Dreher spielen einwandfrei, die Automatikfunktionen laufen sauber ab - so wie sie sollen -, und da ich das Öl ja seit Jahren kenne, habe ich keine Bedenken bezüglich der Langzeitstabilität. Ich habe das Öl auch so sparsam wie möglich aufgetragen, und die Mechanik macht auf mich einen so soliden Eindruck, dass ich selbst bei zu schwacher Schmierung keine Bedenken hätte, dass sich an den Metallteilen da übermäßig was abnutzt. Wie gesagt, das ist mein Eindruck aus Sicht eines Nichtexperten.


    Aber ich freue mich über die zahlreichen Beiträge. Man lernt nie aus. :)

  • Seh ich ähnlich.
    Ein Plattenspieler wird auch nach mehrstündigem Betrieb völlig ohne Schmierstoff noch intakt sein (Motorlager mal ausgenommen).
    Ein Automotor dürfte so in wenigen Sekunden geschrottet sein.


  • Wenn Du zwei Möglichkeiten hast - eine billige ohne Risiko und eine noch billigere mit einem kleinen aber vorhandenen Risiko, das Gerät in einen Totalschaden zu verwandeln - welche nimmst Du ? Ich halte mich im Zweifel daran, dass der Hersteller es sicher besser weiss als ich.


    Mir fällt hierzu ein nettes Beispiel ein, leider wieder aus dem Autobereich - die Schiebedachschienen bei Mercedes werden mit einem speziellen Gleitfett eingeschmiert, von dem die 250g-Dose um 50 Euro kostet. Fragt man bei ATU (Werbeslogan: Inspektion nach Herstellervorgabe), welches Gleitfett für das Schiebedach verwendet wird, bekommt man anzügliche Witze zu hören (O-Ton: Gleitfett nehmen wir für was anderes, haha). Die Mischung aus den Resten des originalen Gleitmittels mit dem Universalfett von ATU verwandelt die Textildichtungen innerhalb weniger Tage in einen harten Klumpen, das Schiebedach gleitet nicht mehr und hält auch nicht mehr dicht. Wenn man diese Mischung nicht innerhalb weniger Tage mühselig entfernt, greift sie die Kunststoff-Gleitschienen an, anschließend ist eine Komplettüberholung der Schiebedachmechanik nötig.


    Witzigerweise bekommt man weder mit dem Gleitmittel alleine noch mit dem Universalfett alleine so eine Sauerei hin - erst die Kombination machts. Ich bin auch deshalb bei den Plattenspielern so vorsichtig, weil ich die Katastrophen von den Autos kenne. Es tut doch nicht weh, wenn man einfach das tut, was Fachleute sagen, ohne zu hinterfragen, ob es noch eine andere Möglichkeit gibt.


    Gruß Frank (dem diese Diskussion wieder einmal bestätigt, dass man besser selber restauriert, wenn man was Vernünftiges haben will)

  • Zitat

    Es tut doch nicht weh, wenn man einfach das tut, was Fachleute sagen, ohne zu hinterfragen, ob es noch eine andere Möglichkeit gibt.


    Naja, man muß das Zeug, was man nehmen soll, ja erstmal auftreiben.
    Das Hinterfragen ergibt sich ja doch zumeist aus dem Umstand, daß man das eben nicht hat, dafür aber etwas, das vermeintlich oder tatsächlich auch geeignet ist.


    Solche Sauereien ergeben sich ja nur, wenn Kunststoff im Spiel ist.
    Soweit es um Metall geht, ist bei einem Plattenspieler normalerweise das Schlimmste, was passieren kann, daß man den Mist wieder saubermachen und neu schmieren muß.
    Wenn man nicht grad auf so angriffslustige Substanzen wie Kontakt 60 zurückgreift.

  • Hi Frank,


    nimm das billigste und einfachste Wälzlagerfett aus der Tube, das Du bekommen kannst und schmiere damit irgendeinen schrottigen 12xx an den zu schmierenden Stellen.
    Es wird funktuionieren, ohne dass sich das Kurvenrad auflöst oder irgend etwas anderes passiert, außer dass der Dreher wieder wunderbar läuft.


    Sollte sich ein Plastikteil in grünen Schleim oder sonst was ekliges verwandeln, bekommst Du von mir kostenlosen Ersatz ;)

  • Falls es tatsächlich echte Fette sind (was ich mir nicht vorstellen kann), dann können durchaus Reaktionen eintreten. Ich tippe jedoch vielmehr darauf, dass es irgendwelche Schmierstoffe auf Basis von mehr oder weniger langkettigen Alkanen oder Benzolderivaten ist. Dann käme es in erster Linie auf die Additive an.
    Aber ohne zu wissen, was genau drin ist (was sich sicherlich nicht so einfach rausfinden lässt, weil man, glaube ich, die Zusammensetzung nicht genau angeben muss), kann man keine präzise Aussage treffen.

    In der Tat besteht in der Diskussion das Problem, daß der Begriff "Fette" nicht zur Beschreibung dessen dient, was Jens als echte Fette beschreibt. Diese sind nämlich tierischen oder pflanzlichen Ursprungs und auch vielen chemischen Reaktionen zugänglich.


    Hier in dieser Diskussion geht es um Produkte bei denen der Begriff "Fette" zunächst nur eine Konsitenzbeschreibung darstellt. (Das ist halt die Folge allgemeinen schlampigen Sprachgebrauchs, bei dem trotz Benutzung gleicher Begrifflichkeiten aber vortrefflich aneinander vorbeigeredet wird!). Die Basis für diese Schmierfette oder Schmieröle sind in der Regel z.B paraffin- oder naphthenbasische Mineralölkomponenten, die je nach Verwendung mit unterschiedlichsten Zuschlagstoffen vermischt werden. Es sind meist diese Zuschlagsstoffe die zu Folgeproblemen führen können, aber nicht zwangläufig führen müssen. In der Tat sind Art und Menge solcher Zuschlagstoffe strengstes Betriebsgeheimnis der Hersteller. Nur gesundheitschädliche Anteile sind offenzulegen. Erschwerend kommt hinzu, daß sich solche Rezepturen im Laufe der Zeit aus technischen Gründen ändern, Marken- und Verkaufsnamen aber meist beibehalten werden. Das Schmierfett oder Schmieröl "ABC" aus den 70-igern ist damit nicht unbedingt vergleichbar mit dem "ABC" von heute!


    Der sicherste Weg Unheil bei den Plattenspielern zu vermeiden, ist auf Standards zurückzugreifen, wie ihn Vaseline darstellt, die seit Jahrzehnten recht genau spezfiziert ist. Hier handelt es sich um gereinigte lineare und verzweigte Paraffine ohne Zusatzstoffe.


    Gruß
    R.


    PS: Noch eine Anmerkung zu den hier im Forum immer wieder zu Schmierzwecken empfohlenen Silikonfett: Dies ist zur Schmierung gänzlich ungeeignet! Es ist nämlich eine Mischung aus Silikonöl mit feinsten Quarzpartikeln ( sogenannte hochdisperse Kieselsäure). Damit holt man sich dann gleich auch den Sand buchstäblich ins Getriebe. Außerdem führt Silikonöl zu Spannungsrissen, insbesondere bei älteren Kunststoffarten! Die zerbröseln dann!

    Genitiv ins Wasser, weil's Dativ ist!

  • Hallo R.,


    Dein Spezialthema. :thumbup:

    Grüße Gernot
    Es soll ja Leute geben, die hören, ob das Lautsprecherkabel rot oder blau ist.

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