Hallo!
Man muß unterscheiden zwischen "NOS", also alten ungebrauchten Elkos und gebrauchten.
Gebrauchte Elkos zu verwenden lohnt in der Tat nur, wenn es dicke, teure Dinger sind oder Typen von besonderer Qualität -und dann muß man schon einige Punkte testen.
Die Kapazität von Elkos, die schon viele Jahre ungebraucht herumliegen, zu messen, hat wenig Zweck -die liegt eher zu hoch als zu tief, aus folgendem Grund:
Die Eloxalschicht auf der Alu-Anode wird bei Nichtgebrauch dünner. Da diese bei Elkos das Dielektrikum darstellt und praktisch den Abstand zwischen den Elektroden bestimmt, nimmt damit die Kapazität zu -aber die Spannungsfestigkeit ab.
Da setzt das schon erwähnte Formieren an -das wird im Prinzip auch bei neuen Elkos so gemacht. Liegt eine zu hohe Spannung an, fließt ein Strom, der bewirkt, daß die Eloxalschicht dicker wird (und damit die Kapazität abnimmt) bis die nötige Spannungsfestigkeit erreicht ist (ein gewisser Leckstrom fließt auch dann noch).
Alte Elkos sollte man also erstmal über einen geeigneten Vorwiderstand an ihre Nennspannung anschließen und dabei den Strom überwachen -ein Link zu einer Anleitung wurde ja bereits gepostet (ich gehe jetzt mal ohne Überprüfung davon aus, daß die taugt).
DANACH kann man dann die Kapazität überprüfen.
Bei gebrauchten Kondensatoren ist es am besten, wenn man ungefähr beurteilen kann, welchen Belastungen sie in ihrem Leben schon ausgesetzt waren.
Elkos aus direkter Nähe von Kühlkörpern oder Röhren lohnen das Auslöten ebensowenig wie solche aus der Sekundärseite von Schaltnetzteilen.
Das ist auch schon der Knackpunkt:
Wie hier bereits erwähnt wurde, leiden Elkos vorallem bei hohen Temperaturen. Diese können von außen kommen -oder auch von innen. Elkos sind mit Verlusten behaftet, wobei vorallem der äquivalente Serienwiderstand (neudeutsch: ESR = Equivalent Series Resistance) in Verbindung mit Lade- und Entladeströmen zu Verlusten in Form von Wirkleistung führt. Dabei wird der Elko also ebenso warm wie ein stromdurchflossener Widerstand.
Aus diesem Grund ist auch die beliebte Praxis, defekte Elkos grundsätzlich durch 105°C-Typen zu ersetzen, ziemlicher Quatsch: diese haben einen höheren ESR als Vergleichbare 85°C-Typen, werden damit auch wärmer und halten gerade NICHT länger. Außer eben in Anwendungen, wo vorallem die Erwärmung von außen das Problem ist.
Was bei der vielzitierten Austrocknung zunächst passiert, ist, daß die Leitfähigkeit des Elektrolyts abnimmt, welches im Elko die Funktion der Kathode übernimmt. D.h. der ESR nimmt zu. Passiert das in einem Elko mit hoher Wechselstrombelastung, steigt die Temperatur weiter und das Ende ist nah.
Die Kapazität nimmt dabei zunächst gar nicht unbedingt ab -deshalb ist diese auch von geringer Aussagekraft für den Erhaltungszustand eines Elkos. Kapazitätsverlust tritt MEISTENS (=fast immer -aber es gibt eben Ausnahmen) erst im Endstadium ein.
Was braucht man also, um einen Elko zu beurteilen:
-ein Netzteil mit ausreichender Spannung zum Formieren
-einen passenden Vorwiderstand (abhängig von der Kapazität und Spannungsfestigkeit)
-ein Amperemeter für kleine Gleichströme
-ein ESR-Meter
-der Vollständigkeit halber auch ein Kapazitätsmeßgerät
-Datenblätter ähnlicher Elkos, um die Werte (Leckstrom und ESR) zu vergleichen
Ein Isolationstester ist also eigentlich unnötig, weil er zum Formieren eh nicht taugt und man bei diesem Vorgang auch einen erhöhten Lecktrom feststellen kann.
Kapazitätsmeßgeräte sind in ausreichender Güte ziemlich güstig zu bekommen. Multimeter mit C-Bereich messen oft nur bis 200uF oder weniger und erfordern Kondensatoren mit langen Anschlußdrähten, die weit genug in die kleinen Schlitze reichen. Man findet häufig C-Meßgeräte bis 20.000uF unter verschiedenen Marken -das ist immer das gleiche Ding: LCD, Drehschalter für Meßbereich, rechts darüber kleiner Knopf zum Nullabgleich, unten zwei Schlitze wie an den Multimetern und darunter 4mm-Buchsen für kurze Meßstrippen mit Krokoklemmen. Preis liegt meist bei 30-35,-Euro. Ich habe so ein Ding mit Monacor-Logo schon seit 12 Jahren und bin sehr zufrieden.
ESR-Meßgeräte für Elkos gibt es in den letzten Jahren immer mehr. Bei ELV gibt es eines, das prima funktionieren soll.
Ich habe ein selbstgebautes. Hier gibt es die Anleitung als PDF (ca. 1,2MB):
http://www-public.tu-bs.de:8080/~y0008472/ESRmeter_1999.pdf
Probleme gibt es nur bei sehr großen und hochwertigen Elkos, da sich ein ESR <<100mOhm ebenso schlecht messen läßt wie ein normaler Widerstand dieser Größenordnung. Und bei Elkos, die normalerweise einen ESR von <10mOhm haben sollten, fällt auch ein deutlich höherer Wert nicht so schnell auf.
Wenn man soetwas messen will, braucht man ein ESR-Meter mit Kelvin-Leitungen, d.h. getrennten Anschlüssen für den Strom und den zu messenden Spannungsabfall. Käuflich gibt es soetwas nur als HighEnd-Gerät zu horrenden Preisen. Beim Selbstbau läßt sich das noch relativ leicht realisieren, wenn man sich etwas auskennt (allerdings nicht bei der Schaltung aus o.g. Link).
Im Normalfall geht es aber nur um eine grobe qualitative Beurteilung, da der ESR bei verschlissenen Elkos aufs mehrfache ansteigt.
Aus finanziellen Gründen ergibt die Verwendung alter Elkos also wenig Sinn, wenn man vorher sicher sein will, daß sie noch gut sind. Aber Elkos gibt es eben nicht am Kiosk um die Ecke und manchmal ist ja auch die alte Optik erwünscht. Dann lohnt es sich, etwas Mühe zu investieren. Oder -bei handzahmen Spannungen- einfach einen Elko aus der Kiste zu nehmen und in der Schaltung auszuprobieren.
ESR- und Kapazitätsmeßgerät sind vorallem bei Reparaturen sehr hilfreich, lohnen sich also, wenn man öfter mal defekte Geräte auf dem Tisch hat. Vorallem mein ESR-Meter würde ich nie wieder hergeben!
Viele Grüße
marsoman