Teil 7 - Benzeeeene!
(Benzin und andere Lösemittel)
Wir haben über Schmierstoffe Einiges in Erfahrung gebracht - sehr Spezielles und Allgemeines. In diesem Teil des Threads soll es darum gehen, womit man die Schmiererei möglichst optimal und Material schonend wieder entfernt. Das Wie belasse ich hierbei bewusst im Hintergrund, wie auch z.B. erweiterte chemische Détails. Ich stelle die verwendbaren Stoffe in Gruppen und darin in Reihenfolge der Wirksamkeit, sowie mit ihren Vor- und Nachteilen vor.
Gemeinsam ist ihnen die Empfehlung, in gut gelüfteten Räumen oder im Freien, sowie mit Persönlicher Schutz Ausrüstung (PSA => Handschutz, Augenschutz, ggf. Atemschutz) zu arbeiten. Da manche Verdunstungsprodukte von Lösemitteln schwerer sind, als Luft und dazu zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und sogar zum Tode führen können, sollte man damit nicht in einem Keller arbeiten.
Zunächst im Programm: Benzin(e) in der Reihenfolge ihrer Nützlichkeit
- Leichtbenzin ist mein persönlicher Favorit. Es löst tierische, pflanzliche und mineralische Öle und Fette und verdunstet rückstandfrei. Leider sehr rasch. Zum Glück rasch: wir können die gereinigten Teile sehr zeitnah wieder benutzen. Leichtbenzin verhält sich Metallen gegenüber neutral, was ein wichtiges Kriterium in unserem Lastenheft ist. Nebenher greift es ausgehärtete Lacke und viele Kunststoffe/Gummi nicht an (vorher an nicht sichtbarer Stelle testen!). Die Drogeriekette "Müller" hat es, neben dem nächst genannten Benzintyp (Reinigungsbenzin) und anderen netten Sachen, in den Regalen stehen.
- Reinigungsbenzin ist weniger wirksam bei mineralischen Schmierstoffen und verflüchtigt sich weniger schnell, als Leichtbenzin, doch immer noch schnell genug. Auch hier bleiben nach Abtrocknung keine Rückstände übrig. Es wäre überdies als Feuerzeugbenzin einsetzbar. Meistens wird es jedoch zur Pinselreinigung, Lackverdünnung oder Farb(fleck)entfernung genutzt. Es greift die Farben selber und Gewebe nicht an - ist jedoch auch ein Entfetter!
- Feuerzeugbenzin ist ein naher Verwandter des Leichtbenzins, löst also auch Öle und Fette, ist aber nicht für diesen Zweck optimiert. Es enthält nebenher noch andere, zweckdienliche Eigenschaften (Brennstoff!) verbessernde Zusätze und ist daher nicht so rein und rückstandfrei, wie das oben erst genannte Leichtbenzin. Es ist jedoch das am leichtesten zu beschaffende Benzin und weil es Schmierstoffe lösen kann, setze ich es hierzu auch ein.
Die bisher genannten Benzinsorten werden übrigens gerne zum Lösen von Klebeetiketten benutzt und lösen viele Klebstoffe an!
- Testbenzin (auch "Waschbenzin") wird als Terpentin(öl)ersatz angeboten & verwendet. Es in unseren Drehern mit befriedigender Wirkung einzusetzen ist sehr zu bezweifeln, obwohl es seiner chemischen Herkunft nach auch Öl lösen könnte.
- Als Letztes zwei Worte zu Kraftfahrzeugbenzin: Finger weg! Es enthält Additive, welche die Verbrennung in Motoren verbessern sollen und deren Rückstände wir nicht in unseren Drehern haben wollen. Die schmierstofflösende Wirkung ist mir daher völlig schnuppe!
Benzin(e) haben wir nun hinter uns; ab hier befassen wir uns mit alkoholischen Lösemitteln und deren mögliche Verwendungszwecke
- Aceton, das ebenfalls wunderbare, fettlösende Eigenschaften aufweist. Wir kennen es als Nagellackentferner, weshalb man bei der Verwendung auf verbaute Kunststoffteile und auch auf Lackflächen achten sollte. Es gibt für Aceton die verschiedensten Anwendungszwecke, aus denen die Reinigung von Tonköpfen von Bandmaschinen und Cassettenrecordern hervor sticht. Es löst anhaftenden Bandabrieb, womit wir bei einer bemerkenswerten Eigenschaft sind: neben der Lösefähigkeit bei Ölen und Fetten ist es nämlich ein Harzlöser. Ich konnte es nicht verifizieren, doch schätze ich, dass sich das auch auf verharzte Schmierstoffe erstreckt. Einen Wermutstropfen darf ich nicht verschweigen: es greift Buntmetalle wie Messing und Bronze an, weshalb längere Einwirkzeiten nicht angeraten sind. Kurzzeitiger Einsatz mit anschliessender Trocknung sollte jedoch kein Problem darstellen.
- 2-Propanol (Isopropanol, Isopropylalkohol) ist zum effizienten Entölen und Entfetten geeignet. Das ist jedoch nicht die einzige nützliche Eigenschaft. Der Stoff ist ein richtiger Tausendsassa und neben dem Anlösen von Harzen, dem Einsatz in Nassabspielgeräten und bei der Tonkopfreinigung reicht die Anwendungspalette von der Desinfektion über die rückstandfreie Reinigung und Verwendung als Frostschutzmittel bis zum Abtöten von Holzwürmern (!). Zur Not tut es auch im Spiriuskocher, da es recht "ruhig" brennt. Lös- und verdünnbar ist es in Wasser, Alkoholen und anderen Kohlenwasserstoffen. Aus Isopropanol wird Aceton hergestellt ("Wirkungspotenzierung"). Obwohl recht gut Verträglich mit vielen Kunststoffen, sollte es wegen der Lösefähigkeit von Harzen an Kunststoffen und Lacken ausprobiert werden - dort, wo man das üblicherweise nicht sehen kann. Trinken sollte man diesen Alkohol nicht!
- Ethanol ("Alkohol", "Spiritus") gibt es in verschiedenen "Darreichungsformen". Vergällt (mit Bitterstoffen versehen) nennt man ihn Brennspiritus, dessen Zweck schon im Namen steckt und der nicht zum Verzehr geeignet ist. Unvergällt und somit für den Verzehr geeignet (pur nicht anzuraten!) ist er in Apotheken als Weingeist zur Verwendung in der Küche erhältlich. Spiritus jeder Form löst Öle und Fette, doch durch das Vergällungsmittel können nach der Verdunstung Rückstände verbleiben. Der Alkohol unserer Wahl wäre der leider viel zu teure, unvergällte Weingeist. Achtung! Ethanol kann Kunststoffe anlösen!
- Methanol ist der einfachste organische Alkohol. Er löst zwar Harze/Farben/Lacke an, Öle und Fette jedoch weniger gut. Er ist bei Verzehr hoch giftig bis tödlich und kann Blindheit verursachen. Da er sich als Treibstoff eignet, sehe ich eher hierin den geeignetsten Verwendungszweck. Also: Finger weg!
Es gibt weitere, prinzipiell verwendbare Lösemittel der "Superlative", deren Risiken jedoch den Nutzen überwögen. Auch hiervon lassen wir die Finger.
Ich gebe ein Beispiel: Trichlorethylen ("Tri") kann wirklich fast Alles - es löst Öle, Fette, Harze (sogar Epoxy- und Silikonharze!), sowie viele Kunststoffe, ohne dabei brennbar zu sein. Was es aber überdies tut: es schädigt die Ozonschicht, löst Krebs aus und darf mittlerweile wohl als Auslöser für Parkinson gelten. Kaum vorstellbar: bis noch vor zwanzig Jahren wurde in vielen Betrieben ohne PSA förmlich damit "herumgeaast" und war bei etlichen Mitarbeitern sehr beliebt, weil es zudem narkotisierend wirken kann. Auch ich bin damit in Berührung gekommen - heute habe ich Angst. Zum Glück ist es weitest gehend verboten und für uns nicht erhältlich!
Ein weiteres Beispiel - nur sehr schwer erhältlich - ist Dichlormethan (Methylenchlorid). Es löst hervorragend Fette und Harze und darüber hinaus viele Kunststoffe an (die sich damit z.B. "kalt" verschweissen lassen). Es ist schwer brennbar (wenn es jedoch brennt, entsteht hoch giftiges Phosgen!), bildet aber mit Luft explosionsfähige Gemische und reagiert bei Berührung mit Alkalimetallen explosiv. Ausserdem ist es mit Chloroform verwandt - ein früher übliches Narkosegas - und kann zu der betäubenden Wirkung Kopfschmerz und Schwindel auslösen. Die einzig verwendbaren Schutzhandschuhe sind aus Viton (googeln!) und PVA (Polyvinylacetat), einen wirksamen Atemschutz gibt es gar nicht. Möchte Jemand damit arbeiten?
Wir wissen nun über Öle, Fette, deren Verwendungszwecke und auch über Lösemittel bescheid, die alte Schmierstoffe entfernen können. Ausserdem wurden die teilweise Gefährlichkeit und entsprechende Schutzmaßnahmen besprochen. Das bedeutet, dass wir bewusst einen Arbeitsstoff auswählen und bei Erzielung brauchbarer Ergebnisse sicher damit arbeiten können. Besonders die Gefahren, die hinter Lösemitteln stecken, haben einen Beitrag, wie Diesen, nötig gemacht. Ich möchte hiermit anregen, weitere Informationen über Suchmaschinen zu ermitteln und diese Möglichkeiten zu nutzen!
Ich bitte euch Alle, verantwortungsbewusst mit Lösemitteln zu agieren und z.B. eingangs genannte PSA zu nutzen (informiert euch!), denn ich wünsche, dass es nicht nur euren Drehern (weiterhin) gut gehen möge. Bleibt mir nur noch zu sagen, dass dieses Kapitel um einen kleinen Anhang (Teil 7b) in Sachen WD40, Ballistol und Petroleum erweitert werden möchte, da auch die bei der Beseitigung hartnäckiger Verharzungen eine Rolle einnehmen. In diesem Sinne euch die besten Grüsse
Robert